Emotionaler Hunger hat viel mit mangelnder Liebe zu tun.
Dann wird gegessen, um zu trösten, um von Einsamkeit, Enttäuschungen, Unzufriedenheit und Langweile abzulenken, um kummervolle Erfahrungen und Emotionen wie Ablehnung, Geringschätzung, Wut und Ärger zu übertünchen oder zu betäuben oder eine innere Leere zu füllen. Auch der Eindruck, nicht gut genug oder nicht schnell genug zu sein führt zu ungesundem Stress und Frust, zu Überforderung, Überlastung, Übermüdung und Selbstwertlosigkeit.
Wir alle wünschen uns, wertgeschätzt, respektiert, gemocht, geliebt zu werden. Gesehen zu werden mit all unseren Bedürfnissen und Sehnsüchten, mit unseren Sonnen- und Schattenseiten. Wir sehnen uns nach Daseinsberechtigung und Annahme, nach Freude und Liebe. Fehlen sie, wird oft zu Ersatzbefriedigung gegriffen. Essen. Zucker. Alkohol. Internet. Fernsehen. Kaufrausch…
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es ist nicht nur legitim sondern höchst erstrebenswert, neben der Nährstoffversorgung weitere Gründe für Nahrungszufuhr zu wählen.
Wir essen, um das Leben und Rituale zu feiern, Geselligkeit und Gemeinschaft zu leben, um Genuss und Gusto zu stillen, weil jemand gekocht hat, weil es Freude und Spaß macht…zumindest finde ich es erstrebenswert, dass der Griff zu Löffel und Gabel häufig mit einem dieser Gründe zu tun hat. Essen ist etwas Wundervolles. Ich liebe ESSEN!
Ich weiß aber auch um die Wichtigkeit des rechten Maßes. Weiß, dass es in meiner Verantwortung liegt, vorausschauend und aufmerksam auf meine Befindlichkeit und Gesundheit zu blicken.
Einer der Schwerpunkte in meiner Arbeit als Fastenleiterin ist autophagisches Intervallfasten. Ich bin zutiefst fasziniert von der Methode und meine Erfahrung ist, dass Intervallfasten für viele Menschen eine ideale weil alltagstaugliche Ernährungsform darstellt. Das größte Kapitel, das es dabei zu bewältigen gilt, ist das Einhalten von Esspausen. Im Beschäftigen mit dieser Thematik habe ich entdeckt, dass emotionaler Hunger verbreiteter ist als ich angenommen hatte.
Beleuchten wir doch körperlichen und emotionalen Hunger und deren Unterschiede.
Körperlicher Hunger
lässt sich durch Nahrung stillen
Körperlicher Hunger kündigt sich an, zeigt sich durch Magenleere, Magenknurren.
Bei starkem körperlichem Hunger kann man sich geschwächt und unkonzentriert fühlen - und nach dem Essen spürbar gestärkt, konzentriert und genährt. Emotionaler Hunger kann mit körperlichem Hunger gepaart sein. Essen nährt, belebt und befriedigt die Sinne und kann Freude und Glücksgefühle schenken.
Gusto, Appetit ist etwas anderes als Hunger.
Emotionaler Hunger
Bei „emotionalem Hunger“ geht es hauptsächlich um emotionsregulierendes Essen. (Mit Emotionen hat Essen ja hoffentlich auf jeden Fall zu tun, es wäre schade, ohne Freude oder Neugierde zu essen!) Man empfindet Hunger bzw. ein Bedürfnis zu essen, obwohl kein echter körperlicher Hunger spürbar ist. Eine Kombination ist freilich möglich.
Emotionaler Hunger taucht oft in Situationen mit aufwühlenden oder runterziehenden Gefühlen und Gedanken auf. Wir greifen auf die Erfahrung zurück, dass Essen unangenehme Gefühle betäuben, reduzieren, wegschieben kann, was tatsächlich so ist im ersten Moment.
Innere Leere kann mit Essen gefüllt werden. Essen tröstet kurzfristig und belohnt. Essen lenkt ab, betäubt, schenkt Arbeitspausen, Denkpausen und Fühlpausen. Die Aufmerksamkeit wird auf Essen gelenkt, auf wohltuende Erfahrungen, weil Essen guttut.
Sattwerden findet auf der emotionalen Ebene leider nicht oder kaum statt, wenn nicht an der wahren Ursache für Unfrieden oder emotionalem Stress gearbeitet wird.
Sich mit Lebenskapiteln auseinanderzusetzen, die emotionalen Stress auslösen oder verstärken, bedeutet Selbstfürsorge. Ich gehe dabei in meine Selbstverantwortung und entdecke meine Selbstwirksamkeit.
Oft geht es um Themen wie Selbstannahme und Selbstmitgefühl und immer geht es um Selbstliebe.
Ja, da gab es jetzt recht oft die sechs Buchstaben S E L B S T. Wir kommen auf dem Weg zu Selbstreflexion und Selbstliebe nicht dran vorbei, selbst vieles oder gar alles beizutragen.
Darum ist Fasten im Kloster Pernegg nie nur eine Woche der Kalorien-Reduktion.
Die Liebe macht auf sich aufmerksam an geschriebenen Tafeln auf alten Mauern und in gelebten Handlungen innerhalb der Mauern.
Viktor Frankl schickt am Klostergang die Frage mit auf den Weg: Welcher Mensch will ich einmal gewesen sein. Hier kommt ganz gewiss die Liebe ins Spiel beim Antworten.
Ich möchte ein liebevoller, liebenswerter Mensch gewesen sein. Ein Mensch mit Liebe für sich selbst, für andere, für die Schöpfung.
Fällt die Antwort in diese Richtung aus, macht man sich eben auf den Weg, das Liebenswerte und Liebevolle zu nähren, zu erinnern, zu leben.
In den Kursen werden die Gäste von uns Fastenleiter:innen inspiriert und motiviert, nachzuspüren, was losgelassen und was neu eingeladen werden will. Und auch wir Fastenleiter:innen werden inspiriert und beschenkt. Unser aller Miteinander ist tief geprägt von Liebenswürdigkeit, Herzlichkeit, Freundlichkeit, wohlwollender Heiterkeit, herzhaftem Füreinander-Dasein, gegenseitigem Abholen und Begleiten, von respektvollem Miteinander und liebendem Tun und Sein.
So gedeiht und entfaltet sich Liebe.
So gelingt Selbstliebe.
Sich um bewusste Ernährung, regelmäßiges Fasten, genügend Bewegung und Erholung zu kümmern ist wesentlich und wichtig. Die Liebe immer wieder neu einzuladen, ihr den Weg zu bereiten, vielleicht noch wichtiger. Ohne Liebe können wir nicht glücklich sein.
Und oft haben die ersten Schritte dorthin mit Selbstfürsorge und gelebter Selbstliebe zu tun.
Diese Schritte können sein:
- Traue keiner Stimme in dir, die nicht liebevoll zu dir spricht.
- Behandle dich wie eine beste Freundin, einen besten Freund.
- Sorge für gute Balance im Tun und Ruhn.
- Wertschätze, pflege und verwöhne deinen Körper, er ist die einzige Wohnung für dieses Leben.
- Liebe und lebe Freundlichkeit, Fürsorge und Mitgefühl.
- Lebe achtsam und friedvoll im Hier und Jetzt.
- Sorge für Freude und Abenteuer, sorge für Erholung und Stille.
- Sei großzügig. Vor allem, wenn es um Versöhnungsbereitschaft oder Verzeihen geht.
- Sieh Fehler als Lernstufen. Wir dürfen alle lernen, jeden Tag aufs Neue.
- Nimm Gefühle und Bedürfnisse ernst, kümmere dich um Sorgen und Nöte deines inneren Kindes.
- Schau mit liebendem Blick auf Verletzungen, Kränkungen und schwierige Emotionen.
- Finde dein Wofür in schmerzhaft Erlebtem.
- Sei nicht immer nett. Setze Grenzen.
- Stoppe hinderliche Gedanken.
- Transformiere Mangeldenken und Opferdasein.
- Lebe Werte wie Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit, Dankbarkeit.
- Wertschätze dich für Gelungenes, tröste dich für Nicht-Gelungenes.
- Schick dir eine Kusshand, wenn du an einem Spiegel vorüber gehst.
- Trainiere deine Zuversicht, finde Gründe, warum Optimismus angebracht ist.
- Fühle deine Spiritualität.
- Vertrau deiner Herzkraft und geh auf Schatzsuche nach Wegweisungen.
- Schaffe Räume für deine kreativen Anteile – schreibe, male, werke, spiele, tanze,…
- Lese.
- Lege Telefonlisten an, Musiklisten und To-joy-Listen.
- Sei leidenschaftlich, wild, mutig.
- Sei Gärnter:in, Regisseur:in, Kapitän:in, Gestalter:in.
- Gewöhne dir das Lieben an.
Setze doch die Liste fort mit deinen ganz persönlichen Schritten hin zum Lieben, hin zur Liebe! Gern im Garten des Kloster Pernegg, denn Kraftorte sind immer Orte der Liebe.
Andrea Löw
Fastenleiterin im Kloster Pernegg
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Quelle: Andrea Löw, Juni 2023
Bilder: © Andrea Löw
Ausführliche Inhalte zu Fastenwochen mit Andrea Löw finden Sie hier: https://www.klosterpernegg.at/begleiter/loew-andrea/
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