Neue Studie der Buchinger Wilhelmi Forschungsabteilung
BUCHINGER WILHELMI KLINIKEN | Überlingen | 13.06.2024
Unser Körper ist von Natur aus auf einen Wechsel von Essen und Fasten eingerichtet. Während der Fastenphasen, in denen wir nur sehr wenige Kalorien zu uns nehmen, beginnt der Körper, gespeichertes Fett zur Energiegewinnung zu verbrennen. Ein Teil dieses Fetts wird in spezielle Energiemoleküle, sogenannte Ketonkörper, umgewandelt. Diese Ketonkörper versorgen nicht nur unser Gehirn mit Energie, sondern spielen auch eine entscheidende Rolle beim Auslösen von Regenerations- und Reparaturprozessen im Körper.
Das Forschungsteam der Buchinger Wilhelmi Kliniken hat gerade eine mit Spannung erwartete Studie über die Rolle der Ketonkörper und die Vorteile des Langzeitfastens in der Fachzeitschrift Nutrients veröffentlicht.
Im Folgenden geben wir einen Überblick über das Thema der Studie und erläutern die wichtigsten Ergebnisse.
Fettverbrennung und Ketose: Der Energiespeicher des Körpers
Der menschliche Stoffwechsel wird durch Zucker (Glukose) und Fett (Lipide) angetrieben. Wenn wir mehr als nötig essen, speichert der Körper die überschüssigen Kalorien in Form von Fett, vergleichbar mit überschüssigem Kraftstoff, der im Kofferraum eines Autos gelagert wird. Während des Fastens geben die Fettzellen die gespeicherten Kalorien in den Blutkreislauf ab, der sie an die Körperzellen verteilt, um diese mit Nährstoffen zu versorgen. Im Bild unseres Autovergleichs hieße das, der Fahrer würde den Kanister mit dem Reservekraftstoff aus dem Kofferraum verwenden, statt an einer Tankstelle anzuhalten.
Dieses „Fastenstoffwechselprogramm“ setzt kurz nach dem Stopp der Nahrungsaufnahme ein und mobilisiert unsere Fettreserven. Die Vorstellung, dass das Körperfett nach und nach schmilzt, bis wir das Fasten beenden, ist beruhigend. Menschen in den Industrieländern haben in der Regel einiges an überschüssigem Körperfett. Einen Teil dieses Fetts zu verlieren wird oft mit gesundheitlichen Vorteilen verbunden.
Die Situation ist jedoch ein wenig komplexer: Während die meisten Gewebe (wie die Skelettmuskulatur, der Herzmuskel, Nieren, Leber usw.) Fett sofort in Energie umzuwandeln vermögen, können andere, etwa das Gehirn, dies nicht. Um dieses Problem zu lösen, baut die Leber in einem Prozess, der als Ketose bezeichnet wird, Fette zu kleineren Molekülen um, die Ketonkörper genannt werden.
Nach und nach adaptiert das zentrale Nervensystem diese Ketonkörper, insbesondere Beta-Hydroxybutyrat und Acetoacetat, um sie als Brennstoff zu nutzen. Jüngste Studien haben gezeigt, dass Ketonkörper eine stabilisierende und regenerierende Wirkung auf das Gehirn haben, was ihnen den Spitznamen „Superfuels“ eingetragen hat.
Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie
In dieser umfassenden Studie wurden 1.610 TeilnehmerInnen beobachtet, die das Buchinger Wilhelmi Fastenprogramm über einen Zeitraum von 4 bis zu 21 Tagen mit einer täglichen Kalorienzufuhr von 75 bis zu 250 kcal durchliefen. Die Forschungsabteilung untersuchte die Ketonämie (Blutketone) und die Ketonurie (Urinketone) in dieser Fastenphase akribisch und setzte die Messergebnisse in Bezug zu den bei den TeilnehmerInnen beobachteten Stoffwechselverbesserungen.
Eintritt in die Ketose
Die meisten TeilnehmerInnen gelangten bereits am zweiten Fastentag in die Ketose. Dies ist ein natürlicher und sicherer Prozess, insbesondere, wenn er unter fachkundiger Anleitung erfolgt. Der rasche Übergang in die Ketose zeigt, dass sich der Körper gut an den Fastenmodus angepasst hat, was das Fasten zu einer praktikablen Methode für den Fettabbau und die Stoffwechselgesundheit macht.
Honig und Saft während des Fastens
Das Buchinger Wilhelmi Fastenprogramm sieht kleine Mengen Kohlenhydrate in Form von Saft und Honig vor. Viele PatientInnen fragen sich, ob dies die vorteilhafte Wirkung des Fastens beeinträchtigen kann. Bemerkenswerterweise wird der Ketoseprozess durch den Verzehr dieser Lebensmittel nicht gestoppt. Dies zeigt, dass die kontrollierte Zufuhr einer kleinen Menge von Kohlenhydraten Teil einer Fastenkur sein kann, ohne die Fettverbrennung zu beeinträchtigen.
Individuelle Ketosewerte
Die Studie ergab, dass der Grad der Ketose bei den TeilnehmerInnen unterschiedlich ausfiel. Faktoren wie Alter, Geschlecht, Aktivitätsniveau und die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln beeinflussten, welchen Grad der Ketose die TeilnehmerInnen erreichten. Dieses Ergebnis verdeutlicht das Potenzial, das sich aus der Abstimmung des Fastenplans auf individuelle Stoffwechselreaktionen ergibt.
Signifikante gesundheitliche Verbesserungen
Bei denjenigen TeilnehmerInnen, die einen höheren Ketosegrad erreichten, waren mehr positive Auswirkungen auf die Gesundheit zu beobachten: ein stärkeres Absinken des Blutzuckerspiegels, des glykierten Hämoglobins (ein Marker für den Langzeitblutzucker), eine stärkere Verringerung des Körpergewichts und des Taillenumfangs. Diese Veränderungen sind entscheidend für eine Senkung des Diabetesrisikos und des Risikos, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln.
Höherer Antioxidanzienstatus
TeilnehmerInnen in vollständiger Ketose wiesen auch höhere Antioxidanzienwerte auf, insbesondere einen höheren Harnsäurewert. Antioxidanzien sind für den Zellschutz und für die Gesundheit insgesamt von entscheidender Bedeutung. Der Anstieg der Antioxidanzienwerte deutet darauf hin, dass Fasten nicht nur die Gewichtsabnahme unterstützt, sondern auch die Fähigkeit des Körpers verbessert, oxidativen Stress zu bekämpfen.
Einfaches Monitoring mit Urintests
In der Studie wurden einfache Urintests, wie z.B. Keto-Sticks, zur Überwachung der Ketose verwendet. Mit dieser nichtinvasiven Testmethode lässt sich prüfen, ob der Körper auf Fettverbrennung umgestellt hat. Wir verglichen diese Methode zur Messung der Ketose mithilfe von Urinteststreifen mit einer invasiveren Methode zur Messung der Ketose im Blut. Die Ergebnisse beider Methoden zeigten eine hohe Übereinstimmung, was darauf schließen lässt, dass Urintests eine zuverlässige Methode zur Messung der Ketose darstellen.
Unterstützung und Ermächtigung der PatientInnen
Ein klares visuelles Signal für die Ketose kann Fastende in ihrer Wahrnehmung von Kontrolle unterstützen. Zu wissen, dass der Körper sich in einem positiven Veränderungsprozess befindet, kann ein Gefühl der Kontrolle und Sicherheit vermitteln.
Schlussfolgerung
Diese neue Studie liefert überzeugende Beweise dafür, dass Langzeitfasten sicher und äußerst vorteilhaft für die Gesundheit sein kann. Indem es die natürliche Fähigkeit des Körpers nutzt, Fett zur Energiegewinnung zu verbrennen, kann Fasten zu erheblichen Verbesserungen der Gesundheit führen.
Die Studie unterstreicht das Potenzial eines auf die jeweiligen individuellen Bedürfnisse zugeschnittenen Fastens, das sich als ein wirksames Instrument zur Behandlung von Stoffwechselproblemen erweist. Durch das Verständnis und die Nutzung der Ketose können unsere Ärzte den PatientInnen helfen, erhebliche Verbesserungen ihrer Gesundheit zu erreichen, einschließlich einer verbesserten Körperzusammensetzung, einer besseren Kontrolle des Blutzuckerspiegels und einer höheren antioxidativen Kapazität.
Quelle: Buchinger Wilhelmi Klinik – Studie zum Langzeitfasten und die Rolle der Ketonkörper
Bild: © Karolina Grabowksa – Pexels